Die regionale Landwirtschaft kann nicht billig sattmachen
Landwirtschaftsbetriebe in Sachsen-Anhalt machen auf ihre Arbeit aufmerksam, wollen den Dialog mit Verbrauchern und politischen Entscheidern, weil die Gesellschaft offensichtlich vergessen hat, wie gut regionale Lebensmittel sind.Mehr Nachhaltigkeit, mehr Ressourcenschutz, mehr Tierwohl – das alles geht am besten auf lokaler Ebene. Und auch die Eindämmung des Klimawandels beginnt zuhause. Zukunftsorientierte positive gesellschaftliche Diskussionen sind in Gang gekommen. Die deutsche Politik muss und will diesen von der Gesellschaft gewollten Wandel stützen. Und die Landwirtschaftspolitik tut es hastig mit bürokratischen Vorgaben oder schnell verfassten ordnungsrechtlichen Auflagen, die den Sachverstand der hiesigen Bauern verspotten. Zunehmend und wirtschaftspolitisch gewollt, kommen Lebensmittel aus dem Ausland; andere Vorgaben machen die Produktion dort und so auch die Waren billiger – ein Vorteil, den günstige Transportkosten weiter stützen. Deutlich zu sehen war es in den vergangenen zwei Jahren: Dürre in Deutschland und die Regale waren voller günstiger Lebensmittel. Aber kein Essen und kein Bauer sind so gut geprüft wie in Deutschland. Der Verbraucher sollte also auch in Haldensleben und Wolmirstedt handeln, billige Kartoffeln aus dem Welthandel oder die von seinem Kartoffelbauer aus dem Nachbardorf. Letztere kosten mehr, siehe oben.
Glaubwürdigkeit gefordert
Nachhaltigkeit hat viel mit Glaubwürdigkeit zu tun und diese wird gerade all überall auf Spiel gesetzt.
Wenn sich die Landwirte zu Demonstrationen aufmachen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, ist es zuallererst ihr gutes Recht, aber in dieser Situation auch dringend nötig. Entweder die politischen Entscheider lockern die zu fest angezogenen Schrauben und ziehen auch die Konsumenten mit oder das Ausland macht uns satt und wir haben viele schöne Blühwiesen.
Frank Böcker ist Landwirt in Emden (Landkreis Börde) und Organisator der hiesigen Aktionen. Die deutschlandweite Bewegung der Bauern, die sich „LandSchafftVerbindung“ nennt, will den Dialog mit den Menschen. Das 2. Agrarpaket, welches die Bundesregierung im Moment auf den Weg bringt, damit den Druck auf die Landwirtschaftsbetriebe weiter erhöht, und die Antibauernstimmung im Land sind aktuelle Auslöser für die „Graswurzelbewegung“, die sich über soziale Medien verbreitet. Die Verbände sind informiert aber unbeteiligt.
Landwirte brauchen Perspektiven
„Mein Sohn Lorenz studiert in Halle Landwirtschaft und er will in unsere landwirtschaftlichen Fußstapfen treten, den Betrieb weiterführen. Ich bin stolz, dass er das unter den jetzigen Bedingungen tun will. Für ihn und die Zukunft der Landwirtschaft mache ich das“, so Frank Böcker, der einen Tross von 150 Traktoren durch Magdeburgs Innenstadt angemeldet hat. Es stimmt ihn nachdenklich, dass ein 300-Hektar-Betrieb auf wunderbarem Bördeboden nicht mehr so wirtschaftlich arbeiten kann, dass größere unbedingt notwendige Investitionen realisiert werden können. Um das Bestehen zu sichern, betreibt er ein Lohnunternehmen und eine Imkerei. Böcker kennt kaum noch einen Bauern, der sich nicht ein zweites Standbein geschaffen hat, schaffen musste. „Wie sollen wir unsere Betriebe zukunftsfähig machen, wenn uns im Eiltempo immer mehr Vorschriften gemacht und Restriktionen erteilt werden, die unser Einkommen mindern“, so Böcker.
„Mit den Protesten müssen wir die Ignoranz der Politik brechen“, postuliert Böcker im Namen seiner Mitstreiter. „Redet mit uns, ehe ihr über uns entscheidet!“
Es geht gleichermaßen um das schlechte Ansehen der Landwirtschaft in der Gesellschaft. Böcker fasst den Standpunkt der Bauern dazu kurz zusammen: „Grüner als wir ist keiner, denn unser Boden ist unsere Arbeitsgrundlage; wir pflegen und schützen ihn, weil wir ihn auch in Zukunft bebauen und gute Lebensmittel ernten wollen, sowie es schon Generationen vor uns taten. “
„Wir Landwirte sind Veränderungen gewohnt, aber das, was jetzt gefordert wird, können wir nicht mehr stemmen“, sagt Böcker bitter und fügt kämpferisch an: „Die Bauern wollen am Dienstag vor dem Dom und am Messegelände friedlich demonstrieren und vernünftig diskutieren, aber sie werden sich weiter erheben, sollte das an dem Tag nichts bringen.“
Text und Foto: Barbara Ilse
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