Haben um 1900 noch die Hälfte der Deutschen in der Landwirtschaft gearbeitet, waren es nach dem Zweiten Weltkrieg noch ein Viertel und heute nur noch knapp 1 Prozent der Gesellschaft. Viele Bürger haben deshalb kaum noch Bezug zur Produktion ihrer Lebensmittel durch die Landwirte und verstehen nicht, warum sich die Bauern einem Übermaß an Belastung ausgesetzt sehen.
Belastungsgrenze ist erreicht
Existenzen stehen vermehrt auf dem Spiel, was zwar einerseits den Märkten und den beiden Dürrejahren zugeschrieben werden muss, die letztlich jedoch durch politische Entscheidungen maßgeblich beeinflusst werden. Der Landwirt wird immer mehr an den Schreibtisch gefesselt, bekommt regelmäßig mehr Vorgaben, was zu errechnen, zu dokumentieren, zu melden oder an starren Fristen einzuhalten ist. Er muss teure Zertifizierungen erbringen, in vorgeschriebene Technik investieren, weil die alte nicht mehr erlaubt ist, bekommt Auflagen zum Umbau seiner Ställe und soll am Ende noch Geld übrig behalten für seine Familie, Mitarbeiter, Verpächter oder das Finanzamt.
Versorgungssicherheit aus heimischer Erzeugung in Gefahr
Durch politische Entscheidungen zur Öffnung der Weltmärkte konkurriert er dabei mit häufig austauschbaren Produkten, die unter weit weniger strengen Vorgaben erzeugt wurden. Die Ausgleichszahlungen der EU dienen dazu, diesen Mehraufwand zu honorieren, um den Landwirten eine angemessene Teilhabe an der Entwicklung des allgemeinen Wohlstands in der Republik zu ermöglichen. Die Nahrungsmittelversorgung aus heimischer Produktion war in früheren Zeiten nämlich von höchstem nationalem Sicherheitsinteresse.
Aber jene Wichtigkeit scheint heute aus dem Bewusstsein geraten zu sein, so dass der Ausgleich per Agrarpaket abgeschmolzen wird. Das Schlimme daran ist, dass gerade Parteien, die Einkommensgerechtigkeit und soziale Teilhabe in ihren Programmen oben anstellen, noch viel drastischere Einschnitte für die Landwirte fordern.
Landwirte sind nicht die einzigen Opfer der Bürokratie
Andere Wirtschaftsbereiche, wie die Textilindustrie oder der Bergbau, wurden bereits geopfert. Dem Automobilbereich oder dem Bereich der erneuerbaren Energien drohen ähnlich drastische Folgen. Selbst jeder klein- und mittelständische Unternehmer sieht sich einer stetig wachsenden Flut an Bürokratie für Datenschutz, Gesundheitsschutz, Brandschutz, Verbraucherschutz oder im Zuge von Investitionsvorhaben durch eine zunehmend unbeherrschbare Auflagenflut und fehlende Rechtssicherheit ohnmächtig gegenüber. Die Angemessenheit der politischen Maßnahmen hinsichtlich der unstrittig wichtigen Ziele ist jedoch oft nicht mehr gegeben.
Bei der Bevölkerung hoffen die Landwirte auf Verständnis für ihren Protest, sieht man sich doch eigentlich in einem Boot. Wie jedem Handwerker würde es den Bauern im Herzen wehtun, das Lebenswerk von Generationen aufzugeben und sich eine andere berufliche Perspektive zu suchen. Weil sie das nicht wollen, machen sie öffentlich auf ihre Lage aufmerksam.
Hintergrund: Das bundesweit von Landwirten verbandsunabhängige und basisgetragene Bündnis „Land-schafft-Verbindung“ organisiert Proteste, denn Landwirte sehen durch die derzeitige Umwelt- und Landwirtschaftspolitik die Wirtschaftskraft und den sozialen Frieden im ländlichen Raum in Deutschland gefährdet.
Am 26. November 2019 findet ab 12 Uhr eine Kundgebung am Brandenburger Tor statt.
Mehrere Tausend Landwirte kommen aus der gesamten Bundesrepublik nach Berlin.
Text: Land schafft Verbindung Interessengemeinschaft Sachsen-Anhalt
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