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Im September 2019 veröffentlichte das Bundesumweltministerium seine Pläne zum Aktionsprogramm Insektenschutz. Die darin von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) gemachten Vorschläge zielten auf die Verschärfung bestehender Gesetze und die Erarbeitung neuer Verordnungen ab. Viele Landwirte sehen sich in ihrer Existenz bedroht, ihre nachhaltige Art der Landbewirtschaftung ignoriert und den Wert ihrer Arbeit für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln aus heimischer Erzeugung beraubt. Seit mehr als einem Jahr laufen Bauern Sturm gegen diese Initiative. Doch auch die breite Bevölkerung, vor allem im ländlichen Raum, erwartet Einschnitte und Bevormundung.

Landwirtschaft ist massiv betroffen

Derzeit werden drei wesentliche Rechtstexte im Bund behandelt, das Insektenschutzgesetz, die Pflanzenschutzanwendungsverordnung und die Biozidverordnung. „Für Landwirte haben die neuen Regelungen gravierende Auswirkungen auf die Möglichkeit, Nutzpflanzen vor Schadinsekten oder konkurrierenden Unkräutern zu schützen“, schildert Urban Jülich, Vorsitzender des Bauernverbandes „Börde“, die Situation. Hinzu kommen größere Gewässerabstände und Zwänge bestimmte Streifen an Gewässern stillzulegen. „Uns werden immer mehr gut geprüfte Werkzeuge zur Pflege unserer Nutzpflanzen genommen. Die Entwicklung nimmt jetzt Ausmaße an, was im Vergleich so wäre, als ob man dem Zahnarzt zur Arbeit nur noch die Zange lässt“, erläutert Jülich die Lage.

Ökos verlieren Prämien

Die neuen Regelungen werden dafür sorgen, dass in bestimmten Schutzgebieten die Fruchtfolgen schmaler werden und viele Kulturen nicht mehr wirtschaftlich angebaut werden können, weil zum Beispiel Erbsen zu starken Schädlingsbefall haben, Rapsschädlinge die Rapsblüte und damit den größten Teil der Ernte vernichten oder auch die Kartoffelkäfer nicht mehr bekämpft werden könnten. Der Ökolandbau wäre davon auch betroffen. Denn wo gesetzliche Verbote weitergehende Einschränkungen vorsehen, verliert man den Anspruch auf die dringend erforderliche Öko-Prämie. Die durch Ordnungsrecht erzwungenen Mindererträge und wirtschaftlichen Verluste soll die Landwirtschaft ohne Ausgleich tragen.

Auch Otto-Normal-Verbaucher wird reglementiert

„Der Bürger hat seine Betroffenheit sicherlich noch nicht erkannt“, vermutet Christian Apprecht, Geschäftsführer des Verbandes. Denn das Aktionsprogramm Insektenschutz sieht auch viele Regelungen vor, die den Alltag der Bürger in diesen Schutzgebieten trifft. „Viele Ziele sind gut, wie etwa die Reduzierung der Lichtverschmutzung. Doch sollte der Bürger wissen, dass auch Regelungen getroffen werden, welche Außenleuchte er noch montieren darf beziehungsweise demnächst ersetzen muss. Biozide verwenden wir auch, wenn wir Holzschutzmittel aufbringen oder unsere Haustiere vor Flöhen schützen“, erklärt Apprecht die mögliche Betroffenheit der Bürger.

Entwertung von Grund und Boden

Die Regelungen gehen aber noch weiter und betreffen vor allem Grundeigentümer. Die an Landwirte verpachteten Flächen verlieren massiv an Wert, wenn sich Ackerbau darauf nicht mehr lohnt. Es fallen nur Kosten für Grundsteuer, Gewässerunterhaltung oder Pacht an, es sind aber keine wesentlichen Erträge mehr zu ernten. Auch der Biotopschutz für bestimmte Grünlandformen oder Streuobstbestände schränkt die Flexibilität ihrer Nutzung ein. Die intensivere Nutzung einer brachen Wiese zum Beispiel als Pferdekoppel wäre eigentlich nicht mehr erlaubt. Oder die Pflege von Obstbäumen auf der Streuobstwiese ist mit der Unteren Naturschutzbehörde abzustimmen. Das gilt im Übrigen auch für Gärten, wenn mindestens 20 Obstbäume darin wachsen. Zumindest in Sachsen-Anhalt unterliegen Streuobstbestände schon nach aktuellem Landesrecht dem Biotopschutz, ohne dass es den Eigentümern bewusst ist oder sie in die Gesetzgebung aktiv eingebunden wurden.

Insektenschutz funktioniert am besten in Kooperation

„Wir stellen uns keinesfalls gegen die Ziele des Insektenschutzes. Es gibt viele gute Beispiele aus der landwirtschaftlichen Praxis, wo wir durch gezielte Einzelmaßnahmen gute Erfolge erzielen. Die sollten gefördert werden, positive Anreize durch die Politik gesetzt werden, anstatt mit pauschalen Verboten unsere Existenz zu gefährden“, fordert Jülich auf. Durch das Vorhandensein vieler Schutzgebiete sind Bereiche am Rand des Drömling, bei Calvörde und an Hakel, Hohem Holz und Colbitz-Letzlinger Heide besonders betroffen. Durch den hohen Grünlandanteil in diesen Regionen stellen die Ackerflächen auf oft ertragsschwachen Standorten für viele Landwirte die derzeit noch einzige Möglichkeit dar positive Wertschöpfung durch Landbewirtschaftung zu erzielen.

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