Flächenfraß hat viele Gesichter
Die Ausdehnung von Siedlungs- und Verkehrsflächen oder die großzügige Ausweisung neuer Gewerbegebiete lässt viele Hektar Ackerböden unter Asphalt und Beton verschwinden, nimmt den Landwirten stückweise die Existenzgrundlage und Flora und Fauna den Lebensraum. Letzteres wird im Zuge der Bauprojekte durch naturschutzfachlichen Ausgleich kompensiert, meistens in Form von Anpflanzungen auf Acker. Dadurch fühlen sich betroffene Bauern doppelt geschädigt.
„Vor gut 30 Jahren, nach der Wende, waren Bürger und Politik froh über jede Industrieansiedlung“, erzählt Andreas Bonstedt vom Klostergut Haldensleben. Das war auch die Zeit, wo sein Betrieb knapp 20% seiner Anbaufläche verlor zugunsten vieler Arbeitsplätze im Glaswerk oder beim Ottoversand. Doch mit der Entwicklung der Gewerbegebiete hatte der Flächenentzug noch kein Ende gefunden, wurde doch in den Folgejahren der Mittellandkanal verbreitert, sind neue Wohngebiete um den Ort herum entstanden oder wird aktuell die Ortsumfahrung von Wedringen gebaut. Zusammen mit den Ausgleichsmaßnahmen sind allein hier etwa 200 Hektar Ackerland verschwunden.
Vor allem um die Ballungszentren wird es für Natur und Bauern eng
Zahlreiche Kommunen überarbeiten derzeit ihre Flächennutzungspläne oder weisen neue Baugebiete und Gewerbeflächen aus. Christian Apprecht, Geschäftsführer des Bauernverbandes „Börde“ vertritt in diesen Verfahren die Interessen seiner Mitglieder: „Wir verstehen, dass es Straßen braucht, Bauplätze für Wohnhäuser oder Gewerbegebiete mit einem größeren Arbeitsplätzepotential, als es die Landwirtschaft zu bieten hat. Aber die nachteiligen Auswirkungen bekommen die Landwirte um die Ballungszentren verstärkt zu spüren, was bis an die Existenzgrenze führt. Klüger wäre es die Lasten solcher Entwicklungen ins Land zu verteilen, da auch die Vorteile von Gewerbeansiedlungen, verkehrlicher Erschließung oder attraktiver Bauplätze in der Fläche ankommen würden. Aktuell werden Anreize gesetzt, die den ländlichen Raum weiter ausbluten lassen. Wozu bauen wir eine Autobahn in die Altmark, wenn wir uns nicht auch bemühen, ehemals abgehängte Regionen an der Entwicklung teilhaben zu lassen, die durch die bessere Verkehrserschließung möglich wird. Die Landesregierung müsste zudem Ansiedlungsanreize vor allem in den Regionen setzen, die künftig durch den Kohleausstieg verstärkt neue Arbeitsplätze brauchen.“Es gibt bessere Lösungen
Für die Kompensation der Eingriffe in die Natur hält die Landwirtschaft inzwischen bessere Lösungen vor und setzt sie im Rahmen von Bauvorhaben um. Die Pflege vernachlässigter Biotope, die Anlage von Extensiväckern oder Feldlerchenfenstern bieten beispielsweise Möglichkeiten, wo die Fläche der Landwirtschaft nicht verloren geht. Wichtig ist, die Maßnahmen mit den Landwirten vor Ort zu planen, denn auch hier gibt es schlechte Beispiele. Das Land hat besten Weizenacker bei Zielitz gekauft und wandelt den nun in Grünland um. Damit die neuen Wiesen einen Artenreichtum entwickeln und behalten, müssen sie aber aktiv bewirtschaftet werden. Doch in der näheren Umgebung haben sich die Landwirte aufgrund der fehlenden Wirtschaftlichkeit und der zunehmenden Einschränkungen durch immer neue Gesetze von der Rinder- und Schafhaltung verabschiedet. Schon jetzt gelingt es nicht die vorhandenen Wiesen in der Elbaue so zu nutzen, dass dort artenreiches Grünland gepflegt wird.
Andreas Bonstedt, der auch Vorstandsmitglied des Bauernverbandes „Börde“ ist, weist auf die globale Dimension unserer Entscheidungen hin. „Jeder Quadratmeter, der hier aus der landwirtschaftlichen Produktion verschwindet, wird andernorts der Natur entrissen. In Südamerika wird aktuell im Rekordtempo Urwald gerodet. Das ist auch eine Folge von Flächenentzug und fortschreitender Ökologisierung in Deutschland.“
Comments are closed