Ährenernte
Ackerbau-Allgemein-Politik + Förderung
„Die Population baut sich auf. Sie wandern vom Feldrand ein. Ich schätze im Januar werden wir ein Mäuseproblem haben.“

Sven Borchert, Betriebsleiter der Landwirtschaftlichen Betriebsgemeinschaft GbR Groß Germersleben, kennt das alle paar Jahre wiederkehrende Problem mit den Feldmäusen, denn auf den 1700 Hektar Betriebsfläche führt der Schaden durch die Nager in manchen Jahren und auf diversen Äckern zu großen Ernteverlusten. Bis zu 50 Prozent Einbußen bei der Ernte von Raps oder Weizen müsse man in gewissen Jahren hinnehmen.

Um sich über dieses Thema auszutauschen, hatten der Bauernverband und der Industrieverband Agrar zu einem Hoftag zum Firmensitz Borcherts nach Flotts Höhe bei Oschersleben eingeladen. Etwa 40 Landwirte, Fachleute und Politiker sowie Vertreter der regionalen Medien kamen kürzlich zu den Vorträgen und zur Feldbesichtigung.

Vorträge am Anfang

Die Vorträge von Landwirt Sven Borchert, Frank Gemmer vom Industrieverband Agrar und Chritian Wolff vom Pflanzenschutzdienst des Landes zeigten die spezifischen Ansichten zum Thema Feldmausbekämpfung

Olaf Feuerborn, Präsident des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt, hieß die Gäste willkommen und fasste das in Wellen wiederkehrende Mäuseproblem folgendermaßen zusammen: „Sie stehlen unsere Ernte und wenn es zu viele werden, geht es nicht ganz ohne Chemieeinsatz.“

Dabei werden gerade im Betrieb von Borchert besonders viele Arten- und Naturschutzmaßnahmen umgesetzt. Unter anderem arbeitet der Betrieb mit der Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt im F.R.A.N.Z-Projekt. F.R.A.N.Z steht als Abkürzung für „Für Ressourcen, Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft“ und verbindet zur Erhaltung der biologischen Vielfalt die Landwirtschaft mit dem Naturschutz. Einer von zehn Projektbetrieben in acht Bundesländern ist die Landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaft GbR. Extensive Feldbewirtschaftung, Erbsenfenster, Feldlerchenfenster und Blühstreifen seien hier als Beispiele genannt. Auch in die Durchführung von Agrar-Umwelt-Klima-Maßnahmen nach dem niederländischen Kooperationsmodell „Kooperativer Naturschutz in der Landwirtschaft“ ist der Betrieb eingebunden.

Borchert, der auch 1. Vizepräsident des Bauernverbandes in unserem Bundesland ist, nutzte die Gelegenheit vor den anwesenden Politikern auf generelle Schwierigkeiten der regionalen Landwirtschaft hinzuweisen: Er sehe aufgrund der vielen Verordnungen und Gesetze, der steigenden Energiepreise und der Rohstoffknappheit einen kritischen Zustand erreicht, der sicher Auswirkungen auf die Landwirtschaft hier haben werde. Keine Planungssicherheit zu haben, sei besonders für die Tier- aber auch die Pflanzenproduktion im Land unerträglich und würde Riesenprobleme für die Nahrungsmittelversorgung der Zukunft aufwerfen.

LPV Grüne Umwelt

Irene Hoppe und Matthias Haase vom Landschaftspflegeverband stellten die sehr gut aufgewachsene hamsterfreundliche Zwischenfruchtmischung vor und beantworteten alle Fragen dazu

 

Christian Wolff vom Pflanzenschutzdienst Sachsen-Anhalt erläuterte anschließend modernes Feldmausmanagement.

Er sprach von der immer wiederkehrenden Massenvermehrung und Ertragseinbußen bis zu 80 Prozent 2015 in Winterrapsschlägen in einigen Betrieben. Risikogebiete seien die Magdeburger Börde, das südliche Sachsen-Anhalt und das nördliche und östliche Harzvorland bis zum Salzlandkreis. Aktuell wäre das Feldmausproblem auf den Äckern noch nicht so groß, aber an den Feldrändern. „2023 kann es wieder losgehen“, prophezeite Wolff. Mit integriertem Pflanzenschutz könne man vorbeugend etwas tun: unter anderem sollten die Landwirte Randstreifen, also die Rückzugsorte der Mäuse von Wuchs freihalten, Fruchtfolgen einhalten, Stroh schnell abräumen und Prädatoren, in diesem Fall Raubvögeln Sitzhilfen am Feldrand aufstellen. Das würde in normalen Jahren ausreichen aber nicht in Massenvermehrungsjahren. Wolff: „Ultima Ratio sind dann Rodentizide. Wichtig wäre in dem Fall eine Feldmausdichteermittlung und die Anwendungsbestimmungen der Mittel sind unbedingt zu beachten.“ Wichtig sind unter anderem, dass chemische Mittel nicht in aktuell nachgewiesenen Vorkommensgebieten des Feldhamsters anzuwenden sind, Köder mit Legeflinten tief und unzugänglich und nicht an der Oberfläche ausgebracht werden dürfen. Wolff wies auf den hocheffizienten Wumaki C3 hin, ein traktorbetriebenes Gerät zur unterirdischen und verdeckten Ausbringung von Mäuseködern der Firma Olbert, welches mit der hiesigen GbR und dem Pflanzenschutzdienst entwickelt wurde und durch das Julius Kühn-Institut gelistet wurde. Die zur Produktion der Geräte obligate Änderung der Anwendungsverordnung steht allerdings noch aus.

 

Diskussion auf dem Feld

Landwirt Urban Jülich diskutierte unter anderem mit Dorothea Frederking, Abgeordnete der sachsen-anhaltinischen Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, über den Konflikt zwischen Hamsterschutz und Feldmausbekämpfung

Der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Agrar (IVA), Frank Gemmer, erläuterte in seinem Redebeitrag die Schwierigkeiten, die sich aus Wirkstoffverboten und immer strenger werdenden Anwendungsregeln ergeben: Schädlingsresistenzen und Bekämpfungslücken. Gemmer meint, dass die Pflanzengesundheit auf der Kippe stehe. Für die Feldmausbekämpfung gibt es in absehbarer Zeit in Europa nur noch das Mittel Zinkphosphid und das auch nur noch bis 2025. Eine Tabelle des Industrieverbandes Agar zeigt die „Rettung“ von Wirkstoffen über Notfallzulassungen, die über die Jahre immer weiter ansteigt, auch die der Zulassungen und der Fälle, die in Bearbeitung liegen bleiben. Gemmers Meinung nach führe das dazu, dass es unter anderem nicht mehr für alle Kulturen Pflanzenschutzmittel (PSM)- Zulassungen geben werde; Innovationen würden unterbleiben und PSM knapp bleiben. Auch Gemmer verweist auf die guten Erfolge mit der Köderlegmaschine Wumaki C3.

Der IVA fordert, dass es auch für „empfindliche“ Gebiete keine pauschalen Verbote von PSM geben darf, sondern kluge Kompromisse zwischen Landwirten und Naturschützern.

 

Vorführung Wumaki C3

Dirk Olbert von der Olbert Werksvertretung erläuterte das Prinzip der Feldmausköderlegemaschine Wumaki C3 für die Interessierten

Bei der anschließenden Feldrundfahrt zeigte Feldbauleiter Michael Giggel den Interessierten Möglichkeiten des Feldhamsterschutzes. Auf 6,5Hektar blieben die Stoppel des Getreides stehen, um Deckung und Nahrung für den Hamster zu gewähren. Auf der zweiten Fläche brachte man nach der Ernte hamsterfreundliche Zwischenfrüchte aus, die später als Streifen auch im Maisfeld verbleiben. Gemeinsam mit dem Landschaftspflegeverband „Grüne Umwelt“ und der Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt wurden diese Maßnahmen ausgewählt und begleitet. Landwirt Urban Jülich, Vorsitzender des Bauernverbandes „Börde“, der in seinem Betrieb ebenfalls einige Arten- und Naturschutzmaßnahmen umsetzt, erläuterte den Konflikt, den man damit schüre, denn alles was dem Hamster guttut, tut auch den Feldmäusen gut. Jülich: „Wir Landwirte sind die, die den Umweltschutz auf unseren Feldern umsetzen. Wenn ich also den Hamstern helfe, muss ich auch irgendwann etwas gegen die Mäuse tun dürfen. Um ein Umdenken bei allen Landwirten zu bewirken, benötigen wir Akzeptanz.“

Bauernverbandspräsident Feuerborn pochte in den Gesprächen mit den Politikern und Journalisten auf langfristige und verbindliche Ergebnisse bei den Verhandlungen zur neuen Förderperiode. Er mahnte, mit den Vorgaben zur neuen Gemeinsamen Agrarpolitik der EU nicht die Ergebnisse solcher Projekte wie F.R.A.N.Z zu gefährden, zu denen noch nicht mal endgültige Auswertungen vorlägen.

Fernsehaufnahmen auf dem Feld

Michael Giggel, Feldbauleiter in der Landwirtschaftlichen Betriebsgemeinschaft GbR Groß Germersleben, war ein gefragter Interviewpartner für den regionalen Rundfunk und das Fernsehen bei Fragen zu den aktuellen Hamsterschutzmaßnahmen

 

Unter folgendem Link zum MDR kann noch bis zum 01.11.2022 um 19:24 Uhr der Fernsehbeitrag angesehen werden.

Ein anderer Beitrag ist ab Minute 02:02 unter MDF.1 zu finden.

 

Text und Bilder: Barbara Ilse und Marius Denecke

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