Allgemein-Ländlicher Raum

„In hektischen Zeiten sollte man alte Traditionen weiterführen, pflegen und im Besonderen ehren, geben sie uns doch einen gewissen Ruhepunkt und das Gefühl irgendwo zu Hause zu sein“. Diese bereits von Eltern und Großeltern übernommenen Werte sowie handwerkliches Geschick haben Silke Fischer, Vorstandsvorsitzende der Agrargenossenschaft Emden eG, bewogen, sich an eine aufwendige Arbeit zu machen:

heimisches Getreide zur Krone gebunden

Gerste, Weizen, Roggen, Hafer. Riesige Haufen. Grün geschnitten. Ein Metallgestell vom Betriebsschlosser: Ein Ring mit vier, nach oben zur Mitte verbundene Verstrebungen – eine Krone. An einer strebt Gerste nach oben, dann Roggen, Weizen und Hafer – heimische Getreidearten. Den Ring, der alles verbindet, schmücken die Getreidearten gemischt. Vorher sind hunderte Bündel vorzubereiten, die nach und nach mit Draht um das Metallgestell befestigt werden. Dabei wird die Krone immer schwerer und besonders die Grannen der Gerste sind sehr brüchig wie auch die locker gewachsenen Haferrispen. Ein komplizierter und schwerer Balanceakt, vor allem wenn man allein bastelt. Silke Fischer hat ein sehr hübsches ländliches Kunstwerk geschaffen und es stilgerecht mit Ackerrandblüten wie Mohn, Korn- und kleinen Sonnenblumen sowie Bändern in rot, blau, gelb und grün verziert. Im Landeswettbewerb hat sie damit in diesem Jahr den vierten Platz belegt.

krönender Abschluss der Ernte

Früher, so hat es ihre Mutter ihr erzählt, wurde die von den Feldfrauen heimlich gebastelte und verhüllte Erntekrone aufs Feld gebracht, dem Bauern übergeben und mit der letzten Fuhre Garben eingeholt. Alle waren froh, dass die schwerste Zeit im Bauernjahr endlich vorbei war: Mähen mit der Sense, Garben aufbinden, aufstellen und Dreschen mit dem Dreschflegel. Der Bauer bedankte sich bei allen Leuten, die auf dem Feld gearbeitet hatten, mit Schnaps und deftigen Essen und es wurde ein Erntefest gefeiert. Danach schmückte die Krone die Kirche beim Erntedankfest, um dann im Flur des Bauernhauses zu überwintern. Silke Fischer ergänzt: „Dieser Brauch ist später in den landwirtschaftlichen Genossenschaften, als es bereits Mähdrescher gab und keine Feldfrauen mehr, irgendwie eingeschlafen.“
Oft haben die alten Traditionen einen Zusammenhang zur Kirche. Nun ist die zielstrebig arbeitende Frau zwar ist nicht religiös, kennt aber die Hintergründe aller Feste des Jahresverlauf genau. Und so gibt es eben gleich nach der Getreideernte die Erntefeier und in größeren Abständen auch eine Betriebsfeier im Winter in dem 1991 gegründeten Betrieb, der 14 Mitarbeiter beschäftigt und 1070 Hektar bewirtschaftet. 260 Hektar davon sind Grünland. Angebaut werden Getreide, Raps, Zuckerrüben und Mais. Es gibt 170 Milchkühe, 80 Mutterkühe, deren Kälber und eine Biogasanlage.
Nach dem 2. Weltkrieg waren Vesperschnitten auf dem Acker Sitte: Schmalzbrot mit Salz und Gurke. Viele Kinder litten damals Hunger und halfen nur wegen dieser Stullen auf den Äckern der Bauern. Jetzt bringt Silke Fischer an heißen Erntetagen auch mal Eis zu den Mähdrescher- und Traktorfahrern auf den Acker.
In der ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) gab es fröhliche Betriebsausflüge der ganzen Belegschaft mit den Ackerwagen zum Beispiel in den Harz, weiß Silke Fischer von ihren Eltern. Jetzt sind das die Feldfahrten mit den Verpächtern oder allen Interessierten bei Festivitäten im Ort.

Bauern gestalten das Dorfleben und pflegen Traditionen

Überhaupt gehörten die Bauern schon immer zu den Leuten, die sich aktiv am Dorfleben beteiligten. Jetzt unterstützt der Betrieb die Gemeinde, die ansässigen Vereine wie Heimat- und Feuerwehrverein oder Kirchenfeste wie das Missionsfest, das Knopffest und den Waldgottesdienst, wo es möglich und nötig ist mit Spenden oder Arbeitseinsätzen mit Maschinen sowie Manpower. Dorffeste finden in der Getreidelagerhalle statt. Fast alle Männer der Firma seien Feuerwehrleute, so Silke Fischer.
Ihre Erntekrone schmückt jetzt noch den Eingangsbereich des Betriebsbüros, dient als Deko für den nächsten Verpächtertreff und soll im darauffolgenden Winter für die Vögel als Futter draußen aufgehängt werden. Damit sie im kommenden Jahr neue Ährenbündel zur Krone winden kann, gibt es vorsorglich schon ein zweites Gestell.
Silke Fischer resümiert: „Eingestaubt sehen Erntekronen nicht mehr schön aus. So ist das wohl auch mit den Bräuchen. Sie sind wertvoll. Man sollte die Geschichten darüber nicht vergessen, sie weitergeben und sie der Zeit und den Gegebenheiten anpassen.“

Text und Fotos: Barbara Ilse

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