Direktvermarktung im Drömling
Kein Muhen, vollentspannte riesige Rinder setzen ihre Klauen auf dicke Strohschichten und schreiten gemächlich bis zum Futtertisch. Nur ab und zu schleift beim Fressen ein Horn am Metallgitter. Wir sind im Naturpark Drömling, im Stall der GbR „Zobbenitzer Weidekuh“ von Julia Anthe und Marten Hoppe.
Die jetzt rund 50 Rinder umfassende Herdbuchzucht der Rasse „Blonde d’Aquitaine“ bietet einen bewundernswürdigen Blick auf die vierjährige Arbeit einer jungen Familie in einer Region, wo Gras auf Torfboden wächst, weil man im 18.Jahrhundert das Moor mit Gräben und Dammbau urbar gemacht hat.
Landwirtschaft im Naturschutzgebiet
Nur 20 bis 30 Bodenpunkte haben die 400 Hektar des Ackerbaubetriebes von Marten Hoppe direkt am „Klüdener Pax-Wanneweh“, einem der kleinsten Naturschutzgebiete Deutschlands. Zum Rinderzuchtbetrieb, der vor vier Jahren mit neun Kühen und einem Bullen startete, gehören 165 Hektar Land; davon sind 50 Hektar Naturschutzgrünland. Viele Flächen sind gepachtet, wobei der junge Landwirt Wert darauf legt, dass er seinen eigenen Acker bewirtschaftet. Allerorts üblich ist, dass mit Nachbar-Landwirten Flächen getauscht werden, um effektiver arbeiten zu können. Große Bereiche sind Vogelschutzgebiet oder Naturschutzgrün, die mit einigen Auflagen verbunden sind, wie dem späteren Mähtermin, um Bodenbrütern Schutz zu bieten. „Wir betreiben auf unseren Grünlandstandorten extensive Landwirtschaft unter Berücksichtigung verschiedener Naturschutzziele“, sagt Diplomlandwirt Hoppe, der den Betrieb der Eltern 2008 übernommen hat. Seine Partnerin, Julia Anthe, hat Ökologische Agrarwissenschaften studiert und ist neben dem Landwirtschaftsbetrieb freiberuflich im Kontrollwesen tätig. Sie haben zwei Kinder.
Rinderzucht als wichtiges Standbein
Ihre 50 Rinder sind übers Jahr auf den Weiden. Nur von Dezember bis Mai sind sie eingestallt. Dort bekommen sie die Kälber. „Blonde d’Aquitaine’ waren schon immer Martens Lieblingsrasse“, sagt die Landwirtin und ihr Partner fügt die Gründe hinzu: „Sie sind eigentlich für die intensive Haltung gezüchtet; die Genetik bewährt sich aber auch in unserer extensiven Wirtschaftsweise gut, da wir die Grundfutterleistung als oberste Priorität in der Zuchtzielgestaltung setzen. Weiterhin ist die Rasse für ihre leichten Geburtsverläufe bekannt und hat eine exzellente Fleischqualität bei einer Ausschlachtung von bis zu 70 Prozent. Alle diese Merkmale machen die ‚Blondies‘ auch für die Veredelung anderer Fleischrassen durch Einkreuzen interessant.“ Betriebsleiterin Julia Anthe ist stolz, dass sie bereits drei Bullen als Zuchttiere vermarkten konnte. Bei den Zobbenitzer Züchtern sind das allerdings keine Tiere oder Rinder, sondern Caline, Gloire oder Uwe. Der Herdbuchbetrieb kann auf sehr gute Zuchtergebnisse schauen: Ein sieben Monate altes Kalb, Nora, von Alt-Zuchtbulle Benno hat eine Gewichtszunahme von täglich fast 1,5 Kilogramm bescheinigt bekommen. So kommen die Schlachttiere nach drei Jahren auf ein Gewicht von 800 bis 900 Kilogramm. Die 13 Kälber dieses Jahres, eines ist Jungbulle Uwes erstes Kälbchen, sind gerade von den Kühen fortgebracht worden, abgesetzt, wie es der Fachmann sagt. Sie stehen in der größten Box des ehemaligen Schweinestalls an der Tabakdarre neben ihren Müttern. „Alle unsere Rinder haben im Winterquartier mehr als doppelt soviel Platz, wie vorgeschrieben“, fügt Rinderzüchter Hoppe stolz an, während er durch blonde Locken zwischen zwei krummen Hörnern streichelt.
Rindfleisch mit Spitzenqualität
„Das Weihnachtsgeschäft haben wir dieses Jahr leider verpasst, da wir uns zu spät um einen Schlachttermin gekümmert haben“, bedauert Julia Anthe nur halbherzig. Tiere, die Namen haben… sie liebt jedes einzelne. Aber damit verdienen sie das Geld für weitere Stallbaumaßnahmen und ähnliches. Vier Schlacht-, Abpack- und Verkaufswochenenden gab es 2019, ein vermarktetes Tier pro Wochenende, 800 bis 900 Kilogramm Lebendgewicht, das ergibt um die 450 Kilo vermarktungsfähige Ware. Zehn Rinder sollen es mal werden, die pro Jahr geschlachtet werden. Die beiden Bauern liegen mit der Nachzucht gut im Plan, denn 16 Kühe werden im Frühjahr kalben. „Hofnah“, also ohne Transportstress schlachten, ist ihnen für die Zukunft sehr wichtig, um des Tierwohls und der Fleischqualität willen: So werden entspannte Tiere, in einem Fangstand, wie sie ihn gewohnt sind, ohne Stress geschlachtet. „Die Herdentiere sollte man niemals trennen“, ergänzt Hoppe. Der ganz nah gelegene „Paradieshof Landfleischerei Wehr“ in Miesterhorst ist für das Schlachten, Zerlegen und die Rinderwurstherstellung zuständig. Die Züchter sind sehr froh über diese gute Zusammenarbeit, denn alles muss passen an den Verkaufswochenenden, zwei bis drei Wochen nach dem Schlachten: Vorbestelltes muss abgepackt und in den Verkaufswagen gebracht werden. Zeiten und Hygiene sind unheimlich wichtig. Das Fleisch wird vorher über einen E-Mail-Verteiler, Facebook und Aushänge in der Gegend restlos verkauft. Über eine Liste kann man sich bestimmte Stücke oder auch ein 10Kilogramm-Mischpaket aussuchen. Durchschnittlich beträgt der Preis für dieses besondere Fleisch 15€ pro Kilogramm. Filet liegt bei 50€/kg, Suppenfleisch bei 10€/kg. „Mund-zu-Mund-Propaganda ist die beste Werbung für unser Produkt“, sagt Anthe, die für den Verkauf zuständig ist und ihre treuesten Kunden im nahen Umland hat. Der Postweg ist für die Zobbenitzer keine Option, sie setzen auf eine regionale Direktvermarktung.
„Unsere Weidekühe sind rassebedingt berühmt für die kurzen Fleischfasern, also sehr zartes Fleisch. Fünf Roastbeefscheiben könnten leicht mal zwei Kilogramm auf die Waage bringen und auch die Beinscheiben der großen Tiere hängen nach dem Schmoren über den Tellerrand “, gibt die Landwirtin charmant zu bedenken.
Nach Hoppes Meinung müsste Essen allgemein einen realistischeren Preis haben, teurer werden. Billiges Essen werde kostengünstig hergestellt, das sei doch ganz logisch.
Biosphärenreservat weckt Hoffungen
Hoppe, der sein Geld mit landwirtschaftlicher Lohnarbeit verdient, wünscht sich für seinen „Blonden“ Rinderzuchtbetrieb, dass 50 bis 60 Tiere naturnah gehalten werden können und einen so ein größerer Beitrag zum Familieneinkommen herein kommt. Viel Hoffnung setzen die beiden Landwirte auf die Vorstellungen der länderübergreifenden Arbeitsgruppe; die geplante Regionalmarke „Drömling“ soll Ökologie und Tourismus zusammenbringen und fördern, Gastronomieangebote natürlich eingeschlossen. Die Region ist seit 2019 Nationales Biosphärenreservat und die Naturparkverwaltung bereitet die Anerkennung bei der UNESCO vor.
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