Ackerbau-Allgemein-Natur + Umwelt-Politik + Förderung

Benedikt Hessling hat vor kurzem Sommerweizen mit doppeltem Reihenabstand und halber Aussaatmenge gedrillt; er hat damit einen zwölf Meter breiten Streifen am Spechtsberg in Sargstedt angelegt. Der 0,9 Hektar große Ackerrandstreifen der Landwirte Eike Daldrup und Benedikt Hessling führt an der Südseite des Huy entlang, der Boden hier gilt als sehr schwer und der Muschelkalkstein des Huy macht die Bearbeitung und den Pflanzen das Wachstum nicht leicht. „Das ist hier wahrlich kein Gunststandort“ wie Hessling es formuliert und fährt fort: „Hier wird schon seit Jahren sehr getreidebetont angebaut, also Gerste oder Winterweizen. In diesem Jahr drückten sogar wieder kleine Quellen Wasser in den angrenzenden Acker.“ Der Huy ist ein Höhenzug im Harzvorland. Hessling trifft sich häufig mit Kollegen und in einem Austausch ging es um die Pflanzenschutzstrategie für die Zukunft. Hier stieß er auf die kooperativen Agrarumweltmaßnahmen, deren Umsetzung von der Stiftung Kulturlandschaft begleitet werden. Hessling weiß, dass er auf dem Streifen damit wohl keine Ernte einfahren wird und die Entschädigungssumme dafür nur einen kleinen Teil ausgleicht. Aber den beiden Landwirten ist es wichtig, zu zeigen, dass sich die Landwirte freiwillig um den Naturschutz auf ihren Flächen kümmern.

Der Ackerbaubetrieb von Eike Daldrup und Benedikt Hessling (Foto) wirtschaftet auf 320 Hektar. Angebaut wird vorwiegend Futter für die 4000 Mastschweine in zwei anderen Betriebsteilen / Foto: Antje Lorenz

Seit mehr als 5000 Jahren wird in Mitteleuropa Ackerbau betrieben. Mit den Kulturpflanzen gelangten auch ihre Begleitpflanzen vor tausenden Jahren aus Vorderasien und dem Mittelmeerraum nach Mitteleuropa. Unter ihnen wanderten auch die sogenannten Ackerwildkräuter in unsere Region ein und sind seitdem wichtiger Bestandteil unserer einheimischen Feldflora. Das Vorkommen der vorwiegend einjährigen Arten ist an den Anbau von Kulturpflanzen und die regelmäßige Bodenbearbeitung gebunden. Aber die intensive ackerbauliche Nutzung, aber auch die Nutzungsaufgabe ackerbaulich genutzter Grenzertragsstandorte sowie immer wirksamere Verfahren bei der Saatgutreinigung führten zum Rückgang oder Verschwinden vieler Ackerwildkrautarten. Etwa die Hälfte der Arten gilt als gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Viele Ackerwildkräuter sind konkurrenzschwach, lassen sich schnell von stärkeren Arten unterbuttern. Filzkraut, Hasenohr, Ackerkohl, Lämmersalat, Kuhnelke, Venuskamm, Ackerröte, Adonisröschen, Kornrade und andere stellen den Anfang der Nahrungskette auf den Feldern dar und sind eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten und demzufolge auch für insektenfressende Vogelarten in der Agrarlandschaft. Viele Insektenarten sind zudem auf bestimmte Ackerwildkrautarten spezialisiert. Wildkräuter übernehmen im Feld weiterhin wichtige Ökosystemfunktionen. So reduziert zum Beispiel das dichte Wurzelsystem der Ackerwildkräuter die Bodenerosion. Auf sogenannten Kalkscherbenäckern finden Ackerwildkräuter zum Beispiel gute Bedingungen. Das sind flachgründige, steinige Äcker auf Kalkverwitterungsböden. Bei der Bearbeitung dieser Böden werden immer wieder Steine hochgepflügt, die dann als Scherben obenauf liegen. Kalkscherbenäcker stellen meist Grenzertragsstandorte dar, die kaum noch rentabel bewirtschaftet werden können und oft aufgegeben werden. Bei einer extensiven Bewirtschaftung stellen Kalkscherbenäcker jedoch einen wertvollen Lebensraum für Ackerwildkräuter dar. Hier haben sie gute Chancen, Fuß zu fassen.

Seit einigen Jahren bemüht sich die Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt um den Erhalt seltener und gefährdeter Ackerwildkräuter. Sie arbeitet mit Landwirtinnen und Landwirten zusammen, um wildkrautreiche Felder über eine extensive Bewirtschaftung zu entwickeln und zu erhalten.

Antje Lorenz, Ackerwildkrautexpertin in der Stiftung, brennt für das Thema. Von der Stiftung wurde in einem ELER-Projekt, welches aus Geldern der EU und Landesmitteln gefördert wird, eine Flächenkulisse erstellt, die aufzeigt, wo Potential für Maßnahmen zum Ackerwildkrautschutz in den fünf Kooperativen-Regionen liegt. Hesslings Streifen ist eine von mehr als 100 Flächen, die Antje Lorenz und ihre Kollegen in die Flächenkulisse aufgenommen haben. Das war die theoretische Seite, eine Datei basierend auf intensiver Feldforschung.

Die Umsetzung in der Praxis: Der Landwirtschaftsbetrieb in Sargstedt ist einer von sieben Betrieben, der in vier der fünf Naturkooperativen auf insgesamt 45 Hektar sogenannte Ackerwildkrautstreifen anlegt. Die Naturkooperativen entstanden nach dem Niederländischen Modell, haben die Projektphase abgeschlossen und setzen nun in Selbstverwaltung und mit wissenschaftlicher Begleitung durch das ELER-Projekt Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) um. Es gibt insgesamt fünf Naturkooperativen in Sachsen-Anhalt: Querfurter Platte, Nordharz, Magdeburger Börde, Mansfeld-Südharz und Köthener Ackerland, wobei letztere keine Ackerwildkrautstreifen umsetzt.

Christian Apprecht begleitet die Arbeit der Naturkooperativen und erklärt die Praxis: „Ackerwildkräuter bevorzugen Lichtäcker, Kulturflächen mit Bodenbearbeitung, die aber durch Vorgaben eingegrenzt wird. Um Stoppelwildkräutern wie der Ackerröte Aussamen und damit Vermehrung zu ermöglichen, darf der Stoppelumbruch auf den extensiven Getreideflächen erst nach dem 15. September erfolgen. Eine Düngung ist lediglich einmal in den fünf Jahren als Erhaltungsdüngung erlaubt. Es dürfen keine Herbizide, Rodentizide, Fungizide, Insektizide, keine Wachstumsregulatoren und Halmstabilisatoren angewendet werden. Auch mechanischer Pflanzenschutz und die Ganzpflanzenernte sind nicht erlaubt.“ Der Feldstreifen bleibt nun mindestens bis 2028 den Ackerwildkräutern, Insekten, Feldvögeln, dem Rotmilan, dem Hamster und einem bisschen Sommerweizen vorbehalten. Landwirt Hessling und Antje Lorenz freuen sich schon darauf, wenn auf dem Ackerrand in den nächsten Jahren seltene Ackerwildkräuter wachsen. „Mit den Kolleginnen des Ackerwildkrautprojektes werden wir die Entwicklung beobachten und den naturschutzfachlichen Erfolg der angelegten Streifen beurteilen“, erklärt Antje Lorenz.

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