Ackerbau-Allgemein-Politik + Förderung

Der Düngerpreis geht höher und höher aufgrund steigender Energiepreise sowie Transportkosten. Seine Verfügbarkeit ist gefährdet, weil Hersteller die Produktion drosseln. Jörg Claus vom Vorstand des Bauernverbandes „Börde“ e.V. warnt vor den Folgen: „Wenn die Landwirte das Ertragspotential ihrer Kulturpflanzen nicht nutzen können, kann es zu massiven Versorgungsengpässen in der Nahrungsmittelversorgung kommen. Das Problem ist nicht zu vergleichen mit dem Chipmangel in der Autoproduktion, weil das Auto theoretisch auch ein Jahr länger gefahren werden kann.“

Dünger ist entscheidend für Qualität von Getreide

Uwe Knackstedt, Geschäftsführer des Wanzleber Agrar-Service &Transport GmbH und in den Altkreisen Wanzleben, Oschersleben und Jerichower Land Händler des Vertrauens für viele dort ansässige Bauern, sieht das Problem ähnlich, kann aber bisher noch alle im Vorfeld georderten Bestellungen erfüllen. Der Hersteller, das Stickstoffwerk Piesteritz erfülle alle Kontrakte mit uns, so Knackstedt. Trotzdem sagt auch er: „Den Düngereinsatz sollten sich die Landwirte im kommenden Jahr gut überlegen: Wenn das Getreide nicht nur als Futter verkauft werden soll, muss es einen gewissen Proteingehalt haben.“ Andere Kulturen wie Mais oder Raps müssten dann bei den Düngergaben eben hintenanstehen. Die Meinung vieler Landwirte, dass man teuer auch noch im Frühjahr kaufen könnte, werde sich rächen, denn dann werden nicht alle genug Dünger auf dem Hof haben, fasst Knackstedt zusammen. Er muss es wissen, denn sein Hauptgeschäft ist der Getreidehandel. In diesen Tagen leeren sich gerade die riesigen Getreidelager unter den solarbedeckten Dächern im Bucher Weg; das Korn wird in die Mühlen geliefert. Im Moment haben die 30 Mitarbeiter an den vier Standorten des Agrar-Service in Wanzleben, Oschersleben, Genthin und Tucheim auch noch mit dem Trocknen von Körnermais zu tun. Ein großer Teil des betrieblichen Umsatzes wird allerdings mit dem An- und Verkauf von Düngemitteln erwirtschaftet. Der Handel mit Pflanzenschutzmitteln und Saatgut gehört ebenfalls zum Profil der Firma. In den meisten Fällen erfolgt der Transport aller gehandelten Güter mit den betriebseigenen sechs Lkw. Auch hier, so Knackstedt, schlage sich der gestiegene Energiepreis mehr und mehr auf die Preise nieder. Fast ebenso schwierig gestaltet sich der geplante Kauf zweier neuer LKW; der Markt sei leer und der Preis hoch.

Noch liegt der bestellte Stickstoffdünger „Piamon“ zur Auslieferung an die Landwirte bereit.

Verfügbarkeit von Dünger im Frühjahr fraglich

Zurück zum Dünger: Bei der Einlagerung von Kalkammonsalpeter habe man sich beim Einkauf im Juli noch zurückgehalten, so Kanckstedt und die Preisentwicklung im Auge behalten. Im Mai 2020 kostete die Tonne 160€, im Mai 2021 schon 210€. Stickstoff wird vom Wanzleber Agrarservice in Form von Kalkammonsalpeter, Harnstoff („Piagran“), AHL („Piasan“), schwefelsaurem Ammoniak („Domogran“) angeboten. Hinzu kommt noch Dünger in stabilisierter Form (Alzon flüssig/Alzon neo N). Besonderen Wert legt man beim Wanzleber Agrarservice auf die Auslieferungsqualität. Knackstedt hierzu: „Bei uns geht kein verklumpter Dünger raus; wir sieben ihn vor der Auslieferung ab. Wir sind kein riesiges Unternehmen; das heißt kurze Entscheidungswege und wir sind immer erreichbar für unsere Kunden.“ Der Fachmann sieht auf alle Fälle Düngerengpässe für die folgenden Monate voraus. Wenn die Politik beim Gaspreis nicht eingreife, werde der Markt die Preise bestimmen. Deutschland müsse aber als Getreideexportland auf dem Weltmarkt gute Qualitäten liefern. Selbst wenn in der Ernte 2020 vom Hektar 100dt Getreide geerntet würden; ohne Stickstoffdünger wäre es nur Futter. Und das wäre im Export kaum vermarktbar; erziele geringere Preise. Da verdiene der Bauer vermutlich nicht genug, um die Produktionskosten aufzuwiegen.

Hersteller fordern Eingriff der Politik

In der Pressemitteilung der Stickstoffwerke Piesteritz GmbH vom 22.September 2021 heißt es: „‚Die Gasversorgung der Bürger und der Industrie Europas muss wieder auf ein stabiles, bezahlbares Fundament gestellt werden‘, fordert Petr Cingr, Vorsitzender der Geschäftsführung der SKW Piesteritz, einer der führenden Produzenten von Düngemitteln in Deutschland. Andernfalls droht ein Produktionsstopp in den Schlüsselindustrien. Die Verknappung chemischer Grundstoffe und ein dramatischer Anstieg der Preise für alle Güter, auch der Grundnahrungsmittel, könnten die Folge sein.“ Am 5.Oktober 2021 erfolgt dann der nächste Schritt und auf der Internetseite des SKW Piesteritz vermeldet man: „Mit einer Drosselung der Ammoniakproduktion um rund 20 Prozent reagiert die SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH auf die sich seit Wochen zuspitzende Entwicklung des Gaspreises. … Die Dynamik des Preisanstiegs sei besorgniserregend, so Cingr. ‚Wir fordern unverzügliches Handeln der Politik. Ohne staatliche Maßnahmen droht in Kürze ein Produktionsstopp. Die Konsequenzen betreffen dann nicht allein den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt, sondern werden sich auf weiterverarbeitende Industrien, die Logistik und die deutsche Landwirtschaft auswirken.‘“
In den vergangenen Wochen bereits andere Unternehmen ihre Ammoniakproduktion gedrosselt, darunter BASF und der norwegische Düngemittelhersteller Yara.

Nobelpreis für Ernährungssicherung

Menschen, Pflanzen und Tiere brauchen Stickstoff für ihr Wachstum. Zwar besteht Luft zu fast vier Fünftel aus diesem Gas. Pflanzen können es aber nur in gebundener Form aufnehmen.
Im Jahr 1908 gelingt es Fritz Haber synthetischen Ammoniak herzustellen und damit Luftstickstoff zu binden. Aber erst Carl Bosch findet die Lösung für eine industrielle Herstellung und 1913 nimmt BASF die erste Ammoniakanlage der Welt in Betrieb. Beide Wissenschaftler erhalten für ihre Verdienste später den Nobelpreis für Chemie. Heute werden auf Basis des sogenannten Haber-Bosch-Verfahrens jedes Jahr mehr als hundert Megatonnen Stickstoffdünger industriell produziert. Das sichert die Ernährung von Milliarden Menschen. Insbesondere in den Industrienationen trägt jeder einzelne Mensch dieses Vermächtnis in sich: Etwa 40 % des Stickstoffs im Körper haben schon einmal das Haber-Bosch-Verfahren durchlaufen.
Text und Fotos: Barbara Ilse

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