Rund 30 000 Menschen mit fast 10 000 Fahrzeugen, unter ihnen auch viele Bauern aus dem Bördekreis, kamen gestern in Berlin zusammen um am Brandenburger Tor zu demonstrieren. Unterstützt wurden die Landwirte von LKW-Fahrern, Forstmitarbeitern, Fischern, Handwerkern wie Bäcker und Fleischer, Mitarbeitern aus dem Gastronomiegewerbe und vielen anderen, die mit den politischen Entscheidungen der letzten Jahre hadern. Es war ein sehr nachdrückliches aber auch friedliches Zeichen für die jetzt handelnden Politiker, denn genau so ruhig wie sich die tausenden Bürger, Traktoren und LKW bis zum Kundgebungstermin zwischen Brandenburger Tor bis zur Siegessäule versammelten, gingen und fuhren sie nach ihrem Protest wieder nach Hause.
Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied fasste die Forderungen der Bauern energisch zusammen: „Ziehen sie ihre Steuererhöhungen zurück, dann ziehen wir uns auch zurück!“ Rukwied fragte unter anderem während seiner energischen Rede rhetorisch in die Runde: „Warum ist denn der Ressortchef nicht da?“ Gemeint war Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Die Bauern fühlen sich nicht ernst genommen von der Politik, streiten sie doch schon als regionale Nahrungsmittelproduzenten seit langem um die Wertschätzung in der Gesellschaft. Auf den Bannern und Plakaten ist in vielen Variationen zu lesen: „Ohne uns kein Essen“. Hier kommen auch die Speditionen ins Spiel, denen die Politik ebenfalls immer mehr Kröten zum Schlucken hinwirft. „Wenn der Güterverkehr zwei, drei Tage stillsteht, dann ist Chaos“, warnte Professor Dirk Engelhardt vom Bundesverband Logistik, denn 80 Prozent des deutschen Güterverkehrs erledigten LKW. Der Vorstandssprecher machte klar, dass man sich ebenfalls nicht von Versprechen vertrösten lasse, sondern weiter gemeinsam für die Forderungen an die Politik einstehen werde. „Die Ampel lässt uns bitterlich im Stich“, fasste er den Unmut der Branche zusammen und bekam dafür riesigen Applaus aus dem Publikum. Die gelbe Karte, „die letzte Warnung“ überreichte Theresa Schmidt, Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend, an Finanzminister Christian Lindner. „Es geht um unsere Zukunft, um faire Bedingungen für Junglandwirte“, sagte sie und drohte mit der roten Karte, wenn die Kürzungen für die Agrarier nicht gänzlich gestrichen würden. Lindner bekam von ihr noch mit auf den Weg: Vier Prozent landwirtschaftlicher Nutzfläche müssen von den Bauern stillgelegt – der Produktion von Lebensmittel entzogen – werden. Das entspräche genau den vier Prozent, mit denen die FDP als Wahlergebnis stillgelegt werden würde. Großer Applaus und „Ampel weg“ aus tausenden Kehlen.
Finanzminister Christian Lindner, hielt denn auch eine Rede vom Blatt, die zu Recht von Buhrufen und Pfiffen übertönt wurde. Er sagte im Prinzip nichts, außer Versprechungen für vielleicht später und dass man den Bauern doch entgegengekommen sei, indem man die Kürzungen bereits teilweise zurückgenommen hätte.
Genauso ergebnislos lief auch das Gespräch nach der Kundgebung, bei dem sich Landwirtschaftsvertreter mit den Spitzen der Ampelfraktionen trafen; es gab keinen Konsens bei der Diskussion um den Agrardiesel.
Außer den vielen hupenden Traktoren und Trucks machte eine grelle Werbetafel einer Berliner Fleischerei den Teilnehmern der riesengroßen aber ergebnislosen Kundgebung auf ihrem Heimweg neuen Mut durch Solidarität. Darauf stand zu lesen: „Ohne Bauern und Transporter gibt es auch keine Fleischer. Kommt gut nach Hause“
Bei der Grünen Woche, die am Donnerstag in Berlin startet, wird es weitere Besprechungen mit Politikern geben. Die Bauernverbände setzen hier auf die Unterstützung der Bundestagsabgeordneten. Zudem planen alle Demonstrierenden weitere Aktionen. Dabei werden sie nach Umfrageergebnissen auch von 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt.
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