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7. Dialogforum Landwirtschaft und Naturschutz

Bessere Chancen für Insekten, Feldvögel, Hamster und Wildkräuter

Das 7. Dialogforum der Deutschen Stiftung Kulturlandschaft fand am 21. und 22. Juni 2023 in Niederndodeleben und auf den Äckern der Bördegrün GmbH statt. Etwa 80 Interessierte, darunter Vertreter von Naturschutzorganisationen, Landwirtschaftsverbänden, Behörden und Politik folgten der Einladung zum zweitägigen Meinungsaustausch, bestehend aus Tagung, Exkursion und unendlich vielen Gesprächen unter gleichgesinnten Haupt- und Ehrenamtlern.

Einfacher, unbürokratischer und zielgerichteter – so bezeichnen die Fachleute die ersten Ergebnisse des Modellprojektes zum Kooperativen Naturschutz in der Agrarlandschaft nach niederländischem Vorbild, das seit 2020 in Sachsen-Anhalt in der Börde umgesetzt wird. Dafür haben sich auf Initiative der Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt 27 Landwirte zusammengefunden, die kooperativ Naturschutzmaßnahmen auf Ackerflächen umsetzen. Sie arbeiten nach einem betriebsübergreifenden Naturschutzfachplan, der von den zuständigen Behörden genehmigt wird. Regionale Naturschutzverbände und -behörden sind in die Planung und Umsetzung eingebunden. Die Stiftung Kulturlandschaft koordiniert die Maßnahmen und nimmt den Landwirten einen Großteil der Planungs- und Verwaltungsarbeit ab. Finanziert wird das Modellprojekt „Kooperativer Naturschutz in der Landwirtschaft“ über das Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten aus Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt.

Auf der Tagung in der Niederndodelebener „Speiserei“, die von Johannes Schulte-Althoff, Vorstandsmitglied der Deutschen Stiftung Kulturlandschaft, eröffnet wurde, betonte Staatssekretär Gert Zender gleich zu Anfang der Veranstaltung, dass Naturschutz in der Kulturlandschaft nicht ohne die Landwirte funktioniere. Er sei sehr froh, dass es in Sachsen-Anhalt so ein Modellprojekt gebe und gab bekannt, dass weitere Kooperativen geplant sind. Dr. Christine Krämer vom Thünen-Institut stellte in ihrem Vortrag Erfahrungen aus dem Niederländischen Modell zur kooperativen Umsetzung von Arten-, Klima und Biotopschutzmaßnahmen vor und verglich das Modell mit einzelbetrieblichen Naturschutzmaßnahmen. Ein Vorteil der Kooperativen liege in der Planung auf Landschaftsebene, was zu einer Verbesserung der Wirksamkeit führe. Natur halte sich nun mal nicht an Betriebs- oder Feldgrenzen. Weitere Vorteile seien zudem die Vereinfachung der Verwaltung, die zu einer Reduzierung von Fehlern und Sanktionen führt. Vorteile sieht Dr. Krämer auch in der Zielorientierung, weil Erfolge für die Natur im Fokus stehen und weniger die formellen Vorgaben.

Schulte-Althoff verwies auf das F.R.A.N.Z.-Projekt, welches seit 2016 ebenfalls in der Börde läuft und zum dritten Mal in die Verlängerung geht. Hier hat Sven Borchert, Betriebsleiter der Landwirtschaftlichen Betriebsgemeinschaft Groß Germersleben, auf seinen Flächen viele Naturschutzideen umgesetzt und langfristig erprobt. Diese Ideen kommen nun im Modellprojekt der Stiftung zum Einsatz. Dr. Jens Birger, Geschäftsführer der Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt, erläuterte anschließend einige dieser Maßnahmen des laufenden Modellprojekts: die Anlage von Erbsenfenstern und von Streifen mit extensiv angebautem Wintergetreide, der Anbau von Sommergetreide, der Anbau von extensiven Sommergetreidestreifen mit Untersaat und die Ährenernte zum Feldhamsterschutz.

In einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Landwirtschaft, Stiftungen und dem Naturschutz wurde deutlich, dass Kooperation auf Augenhöhe zum Erfolg führt. Naturschutz muss Spaß machen, sind sich alle einig. Das funktioniert am besten, wenn jeder Beteiligte mit seiner Expertise anerkannt ist, man gemeinsam nach Lösungen sucht, Mehraufwand und Ertragsausfall angemessen vergütet werden und der bürokratische Aufwand minimiert wird. So wurde es denn auch politisch, denn die Bundesregierung plant, Teile des Naturschutzausgleichs zu zentralisieren. Nach Ansicht von Urban Jülich gefährden die Pläne der Bundesregierung den Erfolg des Artenschutzes vor Ort: „Es ist absolut unnötig, Kompensationsgelder für den Artenschutz in einer neuen Bundesbehörde zu sammeln und von Berlin aus zu verteilen. Wir haben vor Ort Strukturen, die eine breite Akzeptanz in Naturschutzkreisen und der Landwirtschaft haben und sehr erfolgreich und angepasst an die Erfordernisse vor Ort die Biodiversität fördern. Wir bezweifeln, dass der Staat das besser kann, was sich hier in Sachsen-Anhalt so hervorragend entwickelt hat.“

Eine Exkursion mit Kremsern zu den „Bördegrün“-Feldern mit den verschiedenen Biodiversitätsmaßnahmen machte den Teilnehmern des Dialogforums deutlich, wo bereits Erfolge für den Schutz der Tier- und Pflanzenwelt erzielt wurden.

„Bördegrün“ ist ein Betrieb, der am Modellprojekt teilnimmt und auch weitere produktionsintegrierte Naturschutzmaßnahmen umsetzt. Landwirt Urban Jülich wies an der ersten Station von einer Höhe aus auf einige Erbsenfester, welche als Insel inmitten eines abgeernteten Gerstenfeldes liegen: „Dort finden zum Beispiel die Feldlerchen Brut- und Landeplätze sowie Niederwild und Feldhamster einen Rückzugsort mit Nahrung. Das bleibt bis zum Herbst dort stehen.“ Auch mit Feldvogelstreifen, die inmitten von Maisfeldern angelegt werden, sollen Rückzugsorte für Tiere geschaffen werden, Ertrag und Ernte des mit doppeltem Reihenabstand ausgesäten Sommergetreides steht auch hier nicht im Vordergrund, so Jülich.

Zwischen dem Maisfeld und den regelmäßig von Schafen beweideten Hänge des Wartberges liegt seit 2019 ein breiter Streifen Extensivacker. Das Monitoring der Fläche liegt in den Händen von Stiftungsmitarbeiterin Antje Lorenz, die das aktuelle Ackerwildkrautprojekt der Stiftung leitet. Durch die intensive Landwirtschaft verschwanden zahlreiche Arten aus unseren Kulturlandschaften, andere sind gefährdet. „Hier auf einem sogenannten Lichtacker mit spätem Stoppelsturz gedeihen auch sehr seltene, spätblühende Arten wie der Einjährige Ziest“, erklärte Antje Lorenz. Sie zeigte den Interessierten und den Kameraleuten des MDR-Fernsehens seltene, hier durch die Naturschutzmaßnahmen wieder auftretende, Arten wie Kornrade, Acker-Haftdolde, Venuskamm und Sommer-Adonisröschen. „An diesem Randstreifen, am Übergang zum Magerrasen ist die Ackerflora durch die extensive Bearbeitung sehr artenreich. Auf dieser Fläche haben alle Arten 25 Jahre Zeit, sich zu etablieren und wir haben ebenso viel Zeit, sie zu beobachten, Eigenheiten zu erforschen, seltene Arten zu vermehren, zu etablieren, eine Samenbank aufzubauen und alles aufzuzeichnen.“

Die nächste Station der Kremser führte durch beweidete Flächen zwischen den Orten Niederndodeleben und Irxleben. Hier wurde auf Initiative der Stiftung durch die regelmäßige Schafbeweidung aus verbuschten und vergrasten Brachestadien ein artenreicheres Grünland geschaffen, welches deutlich mehr Blütenreichtum zeige, wie Stiftungsmitarbeiterin Dr. Antje Birger erklärt.

Anschließend wanderten die Exkursionsteilnehmer noch zu einer Hamsterkernfläche, bei der in Streifen abwechselnd Luzerne und Extensiv-Getreide angebaut wurde. Integriert ist zusätzlich eine wildzaunbegrenzte Hamstermutterzelle, auf der in den nächsten Jahren Hamster angesiedelt werden sollen. Der Landschaftspflegeverband „Grüne Umwelt“ kümmert sich um die im angrenzenden Feld befindlichen Gehölze, die jetzt aus invasiven Robinien bestehend, später Stieleichen und Winterlinden aufweisen sollen.

Um einige Erfahrungen und Anregungen reicher traten die Teilnehmer des Dialogforums ihren Heimweg an und waren sich einig, dass den Herausforderungen im Spannungsfeld von Nahrungsmittelproduktion und Naturschutz mit kooperativen Ansätzen, wie sie die Stiftung in Sachsen-Anhalt umsetzt, erfolgreich begegnet werden kann.

 

Weitere Informationen zu den einzelnen Maßnahmen und den Ansprechpartnern finden Sie unter www.stiftung-kulturlandschaft-sachsen-anhalt.de

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